Die Ressourcenaggression
Ein ebenso häufiges Problem wie zum Beispiel das bereits erwähnte Pöbeln an der Leine kann das Verteidigen von Ressourcen, wie zum Beispiel Futter oder Spielzeug sein. Viele Hunde haben Probleme damit, sich Dinge wieder wegnehmen zu lassen. Sei es von Menschen oder auch von anderen Hunden. Das ist der Grund, warum das Mitbringen von Spielzeug oder das Füttern mit Leckerchen auf Hundeauslaufplätzen verboten ist. Die Gefahr, dass es um diese Dinge zu Konflikten zwischen den Hunden kommt, ist einfach zu groß. Aber auch die Bezugsperson(en) können vom Hund als Ressourcen angesehen und dementsprechend verteidigt werden. Ein solches Verhalten wird dann oft als Eifersucht interpretiert.
Ein Beispiel:
Du gibst deinem Hund einen Kauknochen zu essen. Er zieht sich auf seine Decke zurück und beginnt genüsslich, diesen zu zerlegen. Dein Kind kommt aus der Schule nach Hause und möchte den Hund begrüßen. Er friert ein, knurrt und schnappt vielleicht sogar in die Luft. Dein Kind erschrickt sich und fängt an zu weinen. Du kommst dazu und findest es selbstverständlich unerhört, dass dein Hund dein Kind bedroht hat. Also willst du ihm seinen Kauknochen wieder wegnehmen, denn so ein Verhalten geht gar nicht. Du stampfst also schimpfend auf deinen Hund zu und greifst nach dem Kauknochen. Dein Hund knurrt und schnappt nach deiner Hand!
Was ist passiert?
Dein Hund hat seinen Kauknochen als Ressource verteidigt. Auch wenn du es vielleicht nicht mitbekommen hast, wird er lange bevor er mit Aggression reagiert hat, eine Reihe von hündischer Kommunikation gezeigt haben, die leider nicht verstanden worden ist (zum Beispiel Einfrieren, Zähne fletschen, etc.). Oder du warst in deinem Auftreten ihm gegenüber so vehement, dass er ebenso vehement geantwortet hat.
Hör auf, deinen Hund zu bedrohen. Auch wenn er augenscheinlich dich bedroht. Lass dich auf auf keinerlei „Kräftemessen“ ein. Bleib ruhig!
Umgang mit Ressourcenaggression
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, aber auch hier ist Ruhe und Gelassenheit der Weg zu einem harmonischen Miteinander.
Nehmen wir noch einmal unser Beispiel mit dem Kauknochen:
Dein Hund meint es wirklich ernst und sieht es partout nicht ein, sich seine Ressource abnehmen zu lassen. Anstatt das jetzt mit ihm auf die harte Art auszudiskutieren, geh ein paar Schritte zurück, um deinem Hund zu signalisieren, dass du ihn nicht bedrohen möchtest und ruf ihn dann zu dir. Er wird mit ziemlicher Sicherheit schwanzwedelnd und vermutlich auch schnaufend mit dem Kauknochen im Maul auf dich zukommen. Freu dich darüber.
Im besten Fall kennt dein Hund Signale wie „Aus“ oder „Gib“. Hock dich zu ihm, zeig ihm deine ausgestreckte Hand (Handfläche nach oben!) und sag das Signal. Bleib ruhig und freundlich. Womöglich wird dein Hund sich wegdrehen oder direkt weggehen. Ruf ihn erneut ab. Geh ihm nicht hinterher. Bestehe darauf, dass dein Hund zu dir kommt! Irgendwann wird dein Hund nachgeben und dir seinen Kauknochen freiwillig aushändigen. Lob ihn. Und freu dich, dass du ganz ohne Gewalt an dein Ziel gekommen bist.
Je nachdem wie gut dein Hund abrufbar ist und Signale wie „Aus“ oder „Gib“ im Vorhinein trainiert worden sind, wird diese Vorgehensweise einfacher oder eher schwierig auszuführen sein. Unter Umständen wirst du besonders am Anfang einiges mehr an Motivation und überzeugenden Argumenten aufbringen müssen, damit dein Hund dir seinen Schatz tatsächlich aushändigt. Denn schließlich möchtest du, dass er dir seinen Kauknochen oder sein Spielzeug freiwillig gibt.
Eine gute Möglichkeit hierfür sind Tauschgeschäfte: Dein Hund tauscht seinen Schatz gegen etwas anderes tolles. Zum Beispiel ein Leckerchen. In der Praxis würde das also bedeuten, du rufst deinen Hund zu dir, zeigst ihm dein Argument, dir seinen Schatz zu überlassen (also das Leckerchen), gibst das entsprechende Signal, der Hund lässt von seiner Ressource ab, du belohnst ihn mit dem Leckerchen. Um deinem Hund zu zeigen, dass Signale wie „Aus“ und „Gib“ nicht grundsätzlich bedeuten, dass er etwas hergeben muss, dass er anschließend nie mehr wiedersieht, gib ihm seinen Kauknochen wieder, nachdem er ihn dir freiwillig überlassen hat. So kannst du das „Abgeben“ direkt noch einmal mit ihm trainieren.
Bei Hunden, die ihr Futter als Ressourcen verteidigen, ist die Arbeit mit dem Futterbeutel eine gute Methode, dem Hund beizubringen, dass nicht er über das Futter bestimmt, sondern du!
Und um Streitereien um das Spielzeug zu vermeiden, solltest du deinem Hund ruhig immer wieder mal den Ball oder das Stofftier wegnehmen, mit dem er gerade spielt.
Wichtig dabei: Sprich ihn an, bevor du nach dem Spielzeug greifst. Bereite ihn darauf vor, was du vorhast. Sag das Signal, gib ihm einen Moment, darüber nachzudenken und greife dann erst danach. Viele Beißunfälle passieren, weil der Mensch zu hektisch oder zu plötzlich nach etwas greift, mit dem der Hund gerade beschäftigt war.
Ich bin generell kein Freund davon, wortlos zu agieren. Gerade in der Pubertät oder anderen empfindlichen Phasen kann jede unangekündigte Berührung oder Handlung eine Abwehrreaktion des Hundes zur Folge haben. Um solchen Missverständnissen vorzubeugen, habe ich mir angewöhnt, jede noch so kleine Interaktion zumindest mit einem „Vorsicht“ anzukündigen. So sichere ich mir die Aufmerksamkeit meines Hundes und bereite ihn darauf vor, dass gleich irgendetwas passiert. Uns und unserem Pubertier hat das sehr geholfen.
Egal, mit welcher Art von Aggression wir es zu tun haben, wichtig zu verstehen ist es, dass uns unser Hund damit nicht schaden möchte. Weder möchte er uns vorführen, noch uns unseren Rang als Rudelführer streitig machen. Es besteht also keine Veranlassung, mit Härte oder Gewalt zu reagieren.
Und auch wenn am Anfang nichts ohne Leckerchen funktioniert, bedeutet das nicht, dass es NIEMALS ohne die Zuhilfenahme von „überzeugenden Argumenten“, so wie es ich es gerne nenne, funktionieren wird. Es ist einfach ein Lernprozess. Und umso mehr positive Lernerfahrungen dein Hund macht, umso schneller wird er das von ihm geforderte umsetzen können. Was du brauchst ist Geduld, Ruhe und Beständigkeit. Und das Wissen, dass du nicht der oder die einzige bist, die einen „schwierigen“ Hund haben. So wie jedes Elternpaar von Zeit zu Zeit schwierige Phasen mit dem Nachwuchs durchlebt, so durchleben auch wir Hundehalter Zeiten, in denen nicht immer alles so glatt verläuft, wie wir es gerne hätten. Also lasst euch von niemandem einreden, das sei nicht normal! Es wird der Tag kommen, da habt ihr den grossartigen Hund, den ihr euch immer gewünscht habt.