Warum aversive Methoden in der Hundeerziehung so schädlich sind

Aversive Trainingsmethoden erfreuen sich noch immer größter Beliebtheit. Auch wenn die verheerenden Folgen mittlerweile hinreichend bekannt sein sollten, stehen körperliche Maßregelungen, Würgehalsbänder oder der berühmte Griff in den Nacken nach wie vor hoch im Kurs. Dass man seinem angeblich doch so geliebten Hund damit nicht nur Gewalt antut, sondern langfristig mehr Probleme schafft als zuvor jemals dagewesen sind, darüber scheinen sich erschreckend wenige Hundehalter im Klaren zu sein.

Was sind aversive Trainingsmethoden?

Unter aversiven Trainingsmethoden versteht man sämtliche Handlungen oder Hilfsmittel, die bei einem Hund Schmerz, Angst oder Stress auslösen. Dazu gehören massive körperliche Übergriffe wie Schlagen, Treten, Rempeln und Auf-den-Boden-Werfen. Ebenso die Anwendung von Würge- oder Stachelhalsbändern sowie vermeintlich harmlose Aktionen wie der Griff in den Nacken oder das „leichte Piksen“ in die Seite. Sogar das Erheben der Stimme oder das Schmeißen von Schlüssel oder Rappel, selbst wenn der Hund davon nicht direkt getroffen wird, gehören zu den aversiven Methoden. Schließlich dienen sie einzig und allein dem Zweck, den Hund einzuschüchtern oder zu erschrecken. Selbst die von bekannten Hundetrainern so gerne eingesetzte Wasserflasche, mit denen ja „nur harmloses Wasser“ auf den Hund abgegeben wird, ist durchaus als aversiv zu betrachten!

Das Wort „Aversion“ stammt aus dem Lateinischen (avisio) und bedeutet „Abneigung“, „Widerwille“, „Ekel“. Ein aversiver Reiz wird in der Psychologie als

„unangenehmes, widriges Ereignis, das Schmerz, Angst oder eine Vermeidungsreaktion auslöst“

beschrieben.

Zudem ist es ein

negativer Verstärker, dessen Beendigung oder Entzug ein verstärkendes Ereignis für die Reaktion ist, die das Entkommen (oder Vermeiden) ermöglicht hat

Quelle: Lexikon der Psychologie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
Wo und wann werden averisve Trainingsmethoden eingesetzt?

Aversive Trainingsmethoden werden hauptsächlich dann eingesetzt, wenn dem Hund ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten „abtrainiert“ werden soll. Dies kann das Ziehen an der Leine, das Bellen am Gartentor oder das nicht sofortige Ausführen eines Kommandos sein.

Besonders gerne und häufig werden solche Methoden aber noch immer bei aggressivem Verhalten eines Hundes angewandt. Je größer oder körperlich stärker der Hund, je massiver wird eingegriffen. Und es gibt Hunderassen, von denen nach wie vor behauptet wird, dass sie ohne massive körperliche Maßregelungen überhaupt nicht händelbar wären. Allen voran der Deutsche Schäferhund, der Malinois sowie diverse Arbeitslinien aus dem Jagd- und Hütehunde-Sektor.

Da werden Aussagen getätigt wie: Schließlich seien diese Tiere dafür gezüchtet worden, auch mal herzhaft zuzupacken, weswegen man sich nicht wundern solle, wenn sich deren 42 Argumente (gemeint sind die 42 Zähne eines ausgewachsenen Hundegebisses) auch mal gegen einen selbst richten. „Solche Hunde“ würden nämlich nicht davor zurückschrecken, kleine Kinder von Fahrrädern zu holen oder den niedlichen Nachbarshund von nebenan in Null-Komma-Nichts zu zerfleischen. Die einzig wirkungsvolle Methode, einer solchen „kernigen“ Rasse Herr zu werden, bestehe darin, den Hunden von Anfang an klarzumachen, wer das Sagen hat.

Jegliche Form von Schwäche werde schonungslos ausgenutzt, die Hunde lauern praktisch nur darauf, sich selber an die Spitze des Rudels zu setzen und würden ja auch nicht zögern, Ihre Interessen notfalls mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. Von daher sei es nur recht und billig, wenn man sich den eigenen Rowdy von Zeit zu Zeit mal ordentlich zur Brust nehme. Schließlich verhindere man dadurch nur Schlimmeres.

Alles andere sei im Umgang mit „solchen Biestern“ mehr als fahrlässig. Ausschließlich mit positiver Verstärkung komme man da nicht weit. Die Hunde würden das sofort als Schwäche erkennen und einen im Gegenzug überhaupt nicht mehr ernst nehmen und dann hätte man ein richtiges Problem.

Welche Folgen haben aversive Trainingsmethoden?

Das Schlimme an aversiven Trainingsmethoden ist, dass sie kurzfristig tatsächlich das gewünschte Vermeidungsverhalten beim Hund auslösen. Die Hunde sind im ersten Moment wahrhaftig geschockt, erschrocken und zutiefst beeindruckt von dem, was ihnen da gerade widerfahren ist. Je nachdem wie tiefgreifend diese Erfahrung war, desto länger wird der Hund tunlichst das Verhalten vermeiden, das ihm dieses leidvolle Erlebnis beschert hat. Eine Tatsache, die viele Hundetrainer darin bestärkt, mit solchen Methoden zu arbeiten: Sie zeigen in der Regel innerhalb von kürzester Zeit die gewünschten Ergebnisse. Dem Hundehalter wird stolz ein therapierter Hund präsentiert, das Problem scheint gelöst, die Fronten ein für allemal geklärt zu sein.

Dass es dabei passieren kann, dass der Hund nicht einmal verstanden hat, dass sein Verhalten unangebracht war, sondern stattdessen womöglich lediglich den Reiz, der zuvor das unerwünschte Verhalten in ihm ausgelöst hat, mit Schmerz oder einer unangenehmen Erfahrung verknüpft hat, wird oft nicht bedacht.

Und selbst wenn der Hund die negative Erfahrung in direkten Zusammenhang mit seiner Reaktion und nicht mit dem auslösenden Reiz bringen konnte, ist er verhaltenstherapeutisch dennoch keinen Schritt weiter. Ja, er hat verstanden, dass offensichtlich von ihm erwartet wird, dieses Verhalten nicht mehr zu zeigen. Was er aber stattdessen tun soll (sich zu entspannen, den anderen Hund zu ignorieren), das wird ihm dadurch leider nicht vermittelt.

Zwei mögliche Szenarien sind denkbar:

Möglichkeit 1) – Worst Case

Der Hund bringt die aversive Korrektur nicht mit seiner Reaktion sondern DIREKT mit dem auslösenden Reiz in Verbindung. Das bedeutet, dass dieser Reiz (z.B. ein fremder Hund, ein fremder Mensch oder ein vorbeirauschender Fahrradfahrer) für ihn in Zukunft noch negativer belegt sein wird als er es ohnehin schon war. Die Prognose, dass der Hund sich bei solchen Begegnungen ab sofort entspannter zeigen wird, ist also denkbar schlecht.

Gerade bei Hunden, die nicht etwa aus territorialen Gründen oder einem übersteigerten Jagdtrieb, sondern vielmehr aus Unsicherheit und Überforderung heraus aggressives Verhalten zeigen, macht man die Situation auf diese Weise nur noch schlimmer. Zwar werden auch diese Hunde anfangs das erwünschte Vermeidungsverhalten zeigen, irgendwann wird die Not aber so groß werden, dass sie umso heftiger „explodieren“. Nicht selten kommt es dann vor, dass sich all die Aggression und der Frust auch gegen den eigenen Halter entlädt.

Möglichkeit 2)

Der Hund kann die Korrektur in direkten Zusammenhang mit seinem Verhalten bringen, weiß also, dass er nicht aufgrund des Reizes an sich, sondern aufgrund des gezeigten Verhaltens korrigiert worden ist.

Nehmen wir jetzt mal an, der Hund hat tatsächlich ein Problem mit entgegenkommenden Hunden. Er weiß, er darf den anderen Hund nicht angehen, ansonsten kriegt er einen drüber. Die aversive Methode bestätigt sich also insofern, als dass der Hund tatsächlich die Klappe halten wird, wenn man ihn zukünftig an fremden Hunden vorbeiführt. Aber warum ist das so?

Letztendlich zeigt der Hund damit lediglich einen Selbsterhaltungstrieb. So wie sich jeder Hund in einer Auseinandersetzung ergeben wird, sobald er merkt, dass er den Kampf nicht gewinnen kann, so geht auch der eigene Hund einer Auseinandersetzung mit seinem Menschen aus dem Weg, von der er weiß, dass er keine Chance hat.

Deswegen ist meinem Hund der Entgegenkommende aber noch lange nicht egal. Er wird sich voraussichtlich auch nie entspannt zeigen oder dem ganzen Szenario irgendetwas positives abgewinnen. Womöglich wird er sich mit der Zeit sogar daran gewöhnen, dass er permanent korrigiert wird und dahingehend „abstumpfen“.

Für den Hundehalter bedeutet das, dass er seine Methoden immer weiter verschärfen muss, um seinen Hund „im Zaum zu halten“: Aus dem anfänglichen Leinenruck und einem gezischten „Nein“ wird so schnell ein deutlicher Stoß kombiniert mit einem mehr gebrüllten als gesprochenen „Nein“, bis irgendwann nur noch der Koffergriff funktioniert, der den Hund auf zwei Beinen mit vehementer Strangulation nach oben an dem anderen Hund vorbeibringt.

Aber wer will das???

Was macht aversive Methoden so gefährlich?

Das Problem bei der Anwendung von aversiven Methoden ist, dass der Hund komplett das Vertrauen in seinen Halter verliert. Hunde sind ja nicht dumm, sie wissen natürlich innerhalb von kürzester Zeit, WER sie da bestraft. Dass der Schmerz oder die Angst von dem eigenen Halter ausgelöst wird und nicht etwa aus dem Nichts über sie kommt.

Wir sind nun einmal die Hauptbezugsperson für unseren Hund. Die Instanz, die in einem funktionierenden Rudel eigentlich für den Schutz aller Rudel- oder Familienmitglieder verantwortlich ist. Wenn diese Person, also praktisch mein Zufluchtsort, mich aber nicht in für mich kritischen Situationen beschützt oder mir signalisiert, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche, sondern vielmehr noch zusätzlich Gewalt ausübt, ist das so ziemlich das Schlimmste, was man einer Hundeseele antun kann. Und es bestärkt meinen Hund nur darin, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Schließlich ist von dem eigenen Herrchen oder Frauchen keine Hilfe zu erwarten.

Was ich damit erreiche ist, dass mein Hund mir immer weniger Aufmerksamkeit schenken wird. Wozu auch? Erstens bin ich ihm eh keine Hilfe und zweitens scheine ich auch nicht eine Sekunde lang zu verstehen, was hier eigentlich vor sich geht. Schließlich schleife ich meinen Hund immer und immer wieder in (aus seiner Sicht) absolute Gefahrensituationen ohne mir dessen auch nur annähernd bewusst zu sein, ganz egal wie vehement mein Hund versucht, mich darauf aufmerksam zu machen. Denn schließlich geht es dem Hund nicht nur um seine eigene Unversehrtheit. Er hat auch oft genug einfach Angst um seine Menschen. Im Gegensatz zu uns ist ihm unsere Sicherheit und unser Wohlergehen nämlich nicht egal!

Fazit

Man kann es drehen und wenden wie man möchte: aversive Trainingsmethoden zeigen vielleicht kurzfristig den erwünschten Effekt, machen langfristig aber mehr kaputt als dass sie einen tatsächlichen Lernerfolg erzielen.

Dabei ist es übrigens völlig egal, ob ein Hund in Wirklichkeit nur verunsichert ist oder tatsächlich in die Vollen gehen würde, hätte er die Möglichkeit dazu. Auch in solchen Situationen stachelt man den ohnehin schon völlig eskalierenden Hund mit der Anwendung von aversiven Methoden nur zusätzlich an und bestätigt ihn damit in seiner Aufregung. Sogar bei Hunden mit ernster Beschädigungsbereitschaft, also solchen, denen es nicht (mehr) nur um Imponieren, Abwehren oder Maßregeln geht, sondern die durchaus einen Ernstkampf zur Not bis zum Tode eines Beteiligten eingehen würden, selbst oder gerade bei solchen Hunden ist von der Anwendung von aversiven Methoden absolut abzuraten. Auch hier macht man die Situation damit nur noch schlimmer. Auch hier gilt es dem Hund Ruhe zu vermitteln. Die Botschaft sollte sein: „Hey, was regst du dich auf? Niemand hier will dir was. Guck mich an, auch ich bin ganz ruhig. Wir regen uns nicht auf. Beruhig dich.“

Letztendlich spielt es keine Rolle, was ich meinem Hund beibringen möchte – das allerwichtigste ist, dass mein Hund mir vertraut und sich an mir orientiert. Ziel sollte es sein, dass, wenn ich sage „Es ist alles in Ordnung“, mein Hund mir glaubt und sich entspannt. Dafür ist es natürlich notwendig, dass ich meinem Hunde beweise, dass er mir tatsächlich vertrauen kann, weil ich ihn verstehe und stets achtsam und fürsorglich mit ihm umgehe. Einfach nur zu sagen: „Wir schaffen das jetzt, vertrau mir“ und seinen völlig überforderten Hund stumpf durch die Situation zu schleifen, ohne ihm die Chance zu geben, sich in seinem Tempo der Problematik anzunähern, ist nicht der richtige Weg. Was es braucht, ist ein grundsätzliches Verständnis von hündischer Kommunikation und die Fähigkeit, den eigenen Hund und – wenn möglich – auch jeden anderen lesen zu können.

Erst, wenn ich mir die Mühe mache, meinen Hund wirklich verstehen zu wollen, kann ich erfolgreich an seinen Problemen arbeiten.

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3 Antworten

  1. Karuna sagt:

    Toller Artikel und eine tolle Antwort auf den Kommentar! ganz herzlichen Dank!

  2. Frau sagt:

    Absolut schöner und lesenswerter Artikel!

    Mir fehlt aber ein bisschen das Gleichgewicht…. Es steht mehr als ausführlichst und detailliert, was man nicht tun soll und als Gegenmethode wird nichts außer der Satz „gib deinem Hund das Gefühl mit ihm durch die Situation zu gehen“ gesagt.
    Ist sie Trainingsmethode so kompliziert, dass man sie hier nicht in Worte fassen kann? Oder so geheim?

    Dass aversiv nicht der Weg ist wissen vermutlich viele…

    Wie gesagt – schöner Artikel, aber nur schimpfen und dann keine Alternative aufzeigen find ich unbefriedigend.

    • Frau K. sagt:

      Hallo Unbekannte, 😉

      vielen Dank für dein Lob und die konstruktive Kritik.
      Du hast Recht: in dem Beitrag geht es tatsächlich ausschließlich darum, welche Trainingsmethoden man NICHT anwenden sollte und warum. Einfach aus dem Grund, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es immer noch erschreckend viele Menschen gibt, die eben nicht wissen oder nicht einsehen wollen, dass aversive Methoden erstens oft ohnehin nicht den gewünschten Trainingserfolg bringen und zweitens gehörig nach hinten losgehen können.
      Um das noch einmal deutlich aufzuzeigen, habe ich diesen Beitrag veröffentlicht.

      Die Methoden zu erklären, die man stattdessen für ein gutes Training hinzuziehen sollte, hätten den Rahmen gesprengt. Aber vielleicht nehme ich deinen Einwand zum Anlass, hierüber noch einen gesonderten Beitrag zu verfassen.

      Um auf deine Frage einzugehen sei an dieser Stelle aber schon einmal gesagt: Wirksame Alternativen zu aversiven Trainingsmethoden sind nicht kompliziert und schon gar nicht geheim!
      Wichtig ist zu allererst, dass auf die individuellen Bedürfnisse und möglichen Probleme eines jeden Hundes geschaut wird. Es gibt also nicht DIE Pauschallösung für jeden Hund.
      Grundsätzlich sollte man aber so oft wie möglich mit positiver Verstärkung anstatt mit Strafe arbeiten. Das bedeutet, ich sollte mich darauf konzentrieren, meinen Hund zu loben, wann immer er etwas richtig macht, um dieses Verhalten zu verstärken, anstatt zu warten, bis er ein für mich unerwünschtes Verhalten zeigt, dass ich dann wiederum nur bestrafen kann.
      Hunde lernen wie wir Menschen in einer entspannten und freundlichen Atmosphäre wesentlich besser als unter Druck, Stress oder Angst.
      Deswegen ist es so wichtig, zu erkennen, wann mein Hund Stress empfindet, und diese Situationen so gut es geht zu reduzieren. Anschließend sollte der Hund schrittweise an für ihn stressige Situationen herangeführt werden, wobei ein guter Hundeführer die Rolle eines beschützenden und unterstützenden Freundes einnehmen sollte, an dem sich der Hund orientieren kann. Gutes Hundetraining sollte also stets ein MITEINANDER und kein GEGENEINANDER sein. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist es im Prinzip egal, was genau ich meinem Hund beibringen möchte. Sei es der berühmte „Grundgehorsam“ oder die Bewältigung eines ernstzunehmenden Aggressionsproblems. Sollte letzteres dein Thema sein, würde ich dir empfehlen, in die Beiträge zu Aggression beim Hund reinzuschauen. Dort habe ich tatsächlich ein paar konkrete Vorgehensweisen aufgeführt, wie man mit „solchen Problemen“ umgehen sollte. Vielleicht hilft dir das fürs Erste weiter.

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