Aggression beim Hund

Hund zeigt aggressives Verhalten
Typisches Drohverhalten: ein starrer Blick, die Zähne gefletscht – der Hund signalisiert ganz klar: Bleib bloß weg!

Jeder Hund zeigt im Laufe seines Lebens irgendwann einmal aggressives Verhalten. Das ist absolut natürlich und überhaupt nichts verwerfliches. Es gehört zum Kommunikationsrepertoire eines jeden Hundes.

Für uns Menschen ist aggressives Verhalten aber nach wie vor etwas sehr Erschreckendes: Sei es gegenüber anderen Hunden oder sogar gegenüber Menschen, den meisten Hundehaltern fällt es (verständlicherweise) sehr schwer, gelassen mit diesem Thema umzugehen. Man wird überlaufen von den unterschiedlichsten Emotionen: Wut, Entsetzen, Scham, Trauer. Es ist einem peinlich, dass der eigene Hund so reagiert, man fühlt sich vorgeführt und hilflos. Hinzu kommen die Reaktionen des Umfelds, die berühmten „guten Ratschläge“, die man plötzlich von überall her bekommt, gefragt oder ungefragt. Ehe man sich versieht, ist man komplett verunsichert und fragt sich, was in der Erziehung seines Hundes bloß so furchtbar falsch gelaufen ist. War ich nicht streng genug? Verliere ich die Kontrolle über mein Tier? Ist mein Hund plötzlich bösartig?

Was wir dabei leider völlig vergessen, ist, dass man Aggression nicht als Wesenszug oder Charaktereigenschaft missverstehen darf.
Es gibt nicht DEN aggressiven Hund. Hunde SIND nicht grundsätzlich aggressiv, allerhöchstens zeigen sie aggressives Verhalten! Und dafür gibt es immer einen Grund!

Im folgenden wollen wir uns einmal damit beschäftigen, was Aggression eigentlich bedeutet.

Wie bereits erwähnt ist das Wort Aggression für uns Menschen grundsätzlich negativ besetzt. Es wird gleichgesetzt mit massiver Bedrohung und dem Willen, jemanden ernsthaft zu verletzen. Sich mit einem aggressiven Hund konfrontiert zu sehen, steht somit auf unserer Liste der Dinge, die wir in unserem Leben unbedingt einmal erleben wollen, verständlicherweise sehr weit hinten! Wobei die Größe des Hundes dabei wie so oft eine maßgebliche Rolle spielt: sich einem zähnefletschenden 30 cm hohen Terrier gegenüberstehen zu sehen, hat lange nicht die Wirkung eines 70 cm hohen und knapp 60 kg schweren Landseers, selbst wenn dieser einen „nur“ anbellt!

Gerade von Hundehaltern großer Rassen wird daher zurecht erwartet, dass sie ihre Hunde „im Griff“ haben. Völlig egal ob die Taschenratte von gegenüber sich verhält wie eine offene Hose, der große Hund darf unter keinen Umständen vermeintlich unangebrachtes und übermäßig aggressives Verhalten zeigen, wenn man nicht über kurz oder lang Bekanntschaft mit den Damen und Herren vom ortsansässigen Ordnungsamt machen möchte.

Es ist also gerade für Hundehalter großer Rassen wichtig zu verstehen, wann und warum ein Hund aggressives Verhalten zeigt.

1.) Was ist Aggression?

Aggression ist ein natürliches Kommunikationsmittel unter Hunden. Es steht in der Regel am Ende einer Reihe von vorangegangener Kommunikation, die entweder ignoriert oder nicht verstanden worden ist. Oftmals ist es schlichtweg die letzte Möglichkeit der Ausdrucksweise, wenn Flucht nicht möglich ist oder aus Sicht des Hundes keine Option darstellt.

Solange der Hund also noch eine andere Form der Konfliktbewältigung sieht – und diese Option ist aufgrund seiner Anlage als soziales Lebewesen eigentlich immer die Konfliktvermeidung – wird er kein aggressives Verhalten zeigen.

Tatsächlich ist es leider oft der Mensch, der durch sein (Fehl-)Verhalten und Nicht-Erkennen von hündischer Kommunikation dem Hund gar keine andere Wahl lässt, als mit Aggression zu reagieren.

2.) Arten von Aggression

Die Wissenschaft unterscheidet verschiedene Arten von Aggression.
Dazu gehören zum Beispiel

  1. Angstaggression
  2. Territoriale Aggression
  3. Ressourcenaggression

Näheres dazu findest du in den verlinkten Beiträgen.

Ebenso lässt sich aggressives Verhalten bei Hunden in Stufen unterteilen. Diese reichen von leicht aggressivem Verhalten mit keinem bis leichtem Körperkontakt zu stark aggressivem Verhalten mit ernsthafter Beschädigungsabsicht.

Aggression sollte dabei aber niemals mit Beutefangverhalten verwechselt werden!
Beim Beutefangverhalten geht es darum, eine Beute aufzuspüren, zu hetzen und letztendlich zu töten! Hierzu wird gezielt in Kopf und Kehle des Opfers gebissen.
Bei aggressivem Verhalten geht es um Konfliktbewältigung, nicht um den Willen zu töten! Eine ernsthafte Beschädigungsabsicht des Gegenübers ist demnach entsprechend selten! Bisswunden bei Menschen sind daher eigentlich immer an den Extremitäten, also Händen, Armen und Beinen zu finden.

3.) Gründe für Aggression
Wann und warum zeigt ein Hund aggressives Verhalten?

Der Grund für aggressives Verhalten beim Hund befindet sich immer im Hier und Jetzt.
Ein Hund wird morgens nicht wach und überlegt sich, heute werde ich den Postboten fressen, oder wartet gezielt auf den einen Moment, in denen er dir den Posten als „Rudelführer“ streitig machen kann! So denken Menschen, Hunde jedoch nicht!

Einer der Hauptgründe für aggressives Verhalten beim Hund ist Stress.
Je größer der Stresspegel beim Hund, desto schneller wird er mit aggressivem Verhalten reagieren.

Bei der Frage nach dem Warum ist es also elementar wichtig, herauszfinden, was meinen Hund in diesem Moment so stresst. Fühlt er sich bedroht? Hat er Angst? Hat er Schmerzen? Welche Rolle spielt mein Verhalten? Welche Signale sende ich meinem Hund?

Dabei ist es eigentlich völlig egal, ob dein Hund sich territorial verhält, eine Ressource verteidigt oder unsicher ist. Wichtig ist, herauszufinden, was den Hund in diesen Situationen so stresst, dass er keine andere Möglichkeit sieht, als mit Aggression zu reagieren. Auch wenn dieses Verhalten für uns vielleicht übertrieben und nicht angemessen wirkt, für unseren Hund macht es durchaus Sinn.
Wir als Menschen sind oftmals einfach nicht in der Lage, die vielen kleinen oder großen (Warn-)Signale, die aggressivem Verhalten in der Regel immer vorausgehen, zu erkennen und/oder zu verstehen!

Und damit kommen wir auch direkt zu der Frage wann ein Hund aggressives Verhalten zeigt. Die Antwort ist relativ simpel: Immer dann, wenn er keinen anderen Ausweg sieht bzw. sich nicht anders zu helfen weiß! Dann liegt es an uns, ihm eine Alternative aufzuzeigen.

4.) Umgang mit Aggression

Der richtige Umgang mit aggressivem Verhalten ist meiner Meinung nach einer der am heißesten diskutierten Themen in der Hundeerziehung. Und es ist der Punkt an dem sich – gerade auch in Hundetrainer-Kreisen – die Spreu vom Weizen trennt.

Da gibt es diejenigen, die der felsenfesten Überzeugung sind, dass man sich in jedem Fall gegenüber seinem Hund durchsetzen muss. Jetzt bloß keine Schwäche oder Angst zeigen, sonst wird dir dein Hund auf ewig auf der Nase herumtanzen.

Tu dir selber den Gefallen und hör‘ nicht auf solche Menschen!

In erfolgreicher Hundeerziehung geht es nicht um Dominanz und Rangordnung. Es geht um Vertrauen und Fairness! Natürlich sollst du derjenige sein, der bestimmt, wo es langgeht. Du sollst auch nicht klein beigeben und deinen Hund einfach machen lassen. Aber WIE du die Rolle als „Bestimmer“ ausfüllst, ist von entscheidender Bedeutung.

In einer Situation, in der dein Hund ohnehin unter massivem Stress steht, ist das Dümmste, was du tun kannst, noch zusätzlichen Druck aufzubauen! Und sei es nur damit, dass du ihn scharf ansprichst, an der Leine ruckst oder ihm sonstwie körperlichen Schmerz zufügst. Hier geht es nicht um die Frage, wer der Stärkere ist! Oder dass der Hund seinen Platz nicht kennt. Hier geht es darum, deinem Hund ein Alternativverhalten beizubringen. Und das erreichst du in keinem Fall mit Druck! Hier sind Ruhe und Souveränität gefragt.

Sei ein Vorbild für deinen Hund!
Zeig selber das Verhalten, dass du von deinem Hund erwartest.

Wenn du merkst, dass dein Hund anfängt, sich aufzuregen, versuch nicht dagegen anzuarbeiten, in dem du ihm schon einmal vorsorglich eine mitgibst, damit er es ja nicht wagt, jetzt gleich auszurasten! So pushst du deinen Hund nur zusätzlich hoch. Bleib entspannt, sprich ruhig und freundlich mit deinem Hund und versuche seine Aufmerksamkeit auf dich selbst, weg von der potentiellen Gefahr zu lenken. Dein Hund soll lernen, solange du dich als seine Bezugsperson nicht aufregst, muss er das auch nicht tun.

Natürlich wird es am Anfang schwer sein, deinen Hund in einem Zustand massiver Erregung überhaupt für irgendetwas anderes empfänglich zu machen, als den Reiz selbst. Das ist wahrscheinlich auch der Hauptgrund dafür, warum Menschen dazu neigen, in solchen Situationen selber grob zu werden. Weil gutes Zureden einfach nicht hilft. Das mag vielleicht nachvollziehbar sein, ist aber mit Sicherheit nicht die Lösung des Problems! Die Kunst besteht darin, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.

Am Anfang hilft oftmals nur eins: Abstand. Distanz schaffen. Dem Reiz erstmal aus dem Weg gehen. Ständige Konfrontation bringt nichts, wenn sie deinen Hund sichtlich überfordert. Versuch dich stattdessen dem Problem kleinschrittig zu nähern. Du wirst merken, dass dein Hund Situationen immer besser „aushalten“ kann, wenn man ihm die Zeit gibt, sich in Ruhe und aus sicherer Position heraus mit der potenziellen Gefahr auseinanderzusetzen. Es ist wichtig, dass dein Hund lernt, dass er sich auf dich verlassen kann. Dass du ihn nicht wahllos in Situationen bringst, die für ihn stressig sind. Dass du seine Not verstehst. Gerade in Zeiten wie der Pubertät, ist Verlässlichkeit und Vertrauen so viel mehr wert als eine „harte Hand“.

Du wirst merken, dass diese Form des Umgangs dazu führen wird, dass dein Hund sich mehr und mehr entspannt und irgendwann überhaupt keinen Grund mehr sieht, aggressiv zu reagieren. Glaub mir, ich weiß es aus eigener Erfahrung. Und ich kenne genug andere Hundehalter, die anders mit diesem Thema umgegangen sind und die nun auch nach Monaten oder gar Jahren noch keinen Schritt weiter gekommen sind. Während wir die Chance hatten, mitzuerleben, wie sich aus unserem furchtbar unsicheren und sensiblen Pubertier ein großartiger Hund entwickelt hat.

Denk immer daran: Wir müssen unser Verhalten ändern. Damit unsere Hunde ihr Verhalten ebenfalls ändern können.

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